Finanzentwicklung

Unterzeichnung des Schutzschirmvertrages am 14.12.2012, von links nach rechts: Manfred Wetzer (Wanfried), Dr. Lutz Bergner (Berkatal), Wilhelm Gebhard (Wanfried), Friedel Lenze (Berkatal), Finanzminister Thomas Schäfer, Anette Wetterau, Burkhard Scheld (beide Herleshausen) und Regierungspräsident Walter Lübke.

Wanfried hält Schutzschirmvertrag ein –

Ein Rück- und Ausblick auf die finanzielle Situation

Die Ausgangslage

Als die Wanfrieder Stadtverordnetenversammlung am 12.12.12 den Beitritt zum Kommunalen Schutzschirm Hessen1 beschloss, wurde die politische Weichenstellung einer grundlegenden Änderung der Wanfrieder Finanzsituation eingeleitet. In der Folge nahm das Land Hessen der Stadt Wanfried 4.133.154 € der Schulden ab und zahlt die Tilgung. Außerdem zahlt das Land Hessen eine Zinssubvention von anfangs 2 % (ersten 15 Jahre) und später 1,5 % (weitere 15 Jahre) auf die 4.133.154 €. Damit die Stadt Wanfried von dieser Förderung profitieren konnte, musste sie eine Vereinbarung mit dem Land Hessen schließen. In dieser Vereinbarung musste die Stadt Wanfried dem Land aufzeigen, wie sie ihre jährliche Unterdeckung beseitigt, also den städtischen Haushalt ausgleicht. Dabei gab es keine Vorschiften des Landes. Die Maßnahmen dafür mussten lediglich nachvollziehbar und geeignet sein.

Zu diesem Zeitpunkt waren knapp 14 Mio. Euro an langfristigen Kreditverbindlichkeiten2) und rund 8.6 Mio. an Kassenkrediten3) aufgelaufen. Jeder Wanfrieder Einwohner hätte somit über 5.000 € an die Stadt zahlen müssen, damit eine Schuldentilgung möglich gewesen wäre.

Wie haben sich die Jahre entwickelt?

Die städtischen Gremien haben seit dem Jahr 2012 erhebliche Einschnitte auf der Aufwandsseite der Stadt vorgenommen. Unterschiedliche Maßnahmen wurden ergriffen, damit das jährliche Defizit kontinuierlich reduziert werden konnte. Neben diesen eigenen Bemühungen, konnte zudem eine deutliche Verbesserung der konjunkturellen Rahmenbedingungen verzeichnet werden, was zu einer erheblichen Verbesserung der Erträge aus der Einkommensteue4)r, der Umsatzsteuer, und der Gewerbesteuer führte. Ebenfalls profitierte die Stadt Wanfried von einer kontinuierlichen Erhöhung der Zuweisungen aus dem Kommunalen Finanzausgleich5).

Im Ergebnis konnte somit ein einstmals bei über 1 Mio. € liegendes Defizit in einen Überschuss von jährlich über 600.000 € im Jahresergebnis 2016 umgewandelt werden.

Entwicklung der Jahresergebnisse

Wie sieht es heute aus?

Das Jahr 2017 neigt sich dem Ende entgegen und es ist bereits absehbar, dass die Stadt Wanfried im dritten Jahr in Folge ihren Haushalt ausgleichen wird. Somit endet die vertragliche Verpflichtung mit dem Land Hessen, auf die sie sich mit Unterzeichnung des Schutzschirmvertrages eingelassen hat. Die gezahlten Fördermittel verbleiben somit endgültig bei der Stadt Wanfried. Der Schuldenstand der langfristigen Kredite konnte um mehr als 3 Millionen gesenkt werden. Der Kassenkreditstand konnte sogar um mehr als 5,6 Millionen gesenkt werden.

Schuldenentwicklung 2012-2017

Welche Chancen gibt es?

Damit eine dauerhafte finanzielle Gesundung der Stadt Wanfried erfolgen kann, bedarf es eines dauerhaft ausgeglichenen Haushaltes, eine Nettokreditaufnahme6) darf es nur in unumgänglichen Ausnahmefällen geben und Kassenkreditverbindlichkeiten müssen aufgrund des bestehenden Zinsänderungsrisikos7) abgesichert werden. Diesbezüglich bietet das von der Hessischen Landesregierung angekündigte Programm der Hessenkasse eine entsprechende Möglichkeit. Die Wanfrieder Gremien müssen dabei im kommenden Jahr entscheiden, ob das Land Hessen den Gesamtbestand der bestehenden Kassenkredite ablöst, 50 % der Tilgung und die gesamten Zinsen bezahlt. Die Stadt Wanfried müsste in den nächsten 15 Jahren die übrige Hälfte der Tilgung aus dem laufenden Haushalt finanzieren.

Warum ist nicht alles Gold, was glänzt?

Die in erheblicher Weise verbesserte Finanzsituation der Stadt Wanfried darf jedoch nicht darüber hinwegtäuschen, dass es weiterhin erhebliche Einflussfaktoren gibt, die die finanzielle Situation nachhaltig belasten können. Dabei ist zunächst die bedeutende Abhängigkeit von der gesamtwirtschaftlichen Situation zu nennen. Die wesentlichen Steuererträge sowie die Landeszuweisungen sind dynamisiert und von der konjunkturellen Lage abhängig. Außerdem stehen in den kommunalen Kernaufgaben weitere notwendige Investitionen an. So werden weiterhin der Ausbau an einer bedarfsgerechten Kinderbetreuung, die Zurverfügungstellung eines flächendeckenden Brandschutzes und der Bestand des Wasser- und Abwassersystems zentrale Themen sein, die nur mit einer entsprechenden finanziellen Ausstattung bewerkstelligt werden können. Es wird auch in Zukunft ein Akt auf dem Drahtseil für die politisch Verantwortlichen der Stadt Wanfried bleiben, eine Abwägung zwischen notwendigen Zukunftsinvestitionen, notwendigen Sparmaßnahmen und eventuell möglichen Entlastungen für den Bürger zu treffen.

Begriffserklärungen

1) Kommunaler Schutzschirm

Der hessische Landtag hat im Jahr 2012 das hessische kommunale Schutzschirmgesetz beschlossen. Der kommunale Schutzschirm Hessen wurde den Kommunen als Landesprogramm angeboten, um gegen die Verpflichtung eines dauerhaft ausgeglichen Haushalts, Finanzierungshilfen vom Land Hessen zu erhalten. Die teilnehmenden Kommunen haben sich vertraglich verpflichtet, einen eigens gewählten Konsolidierungspfad einzuhalten. Im Gegenzug wurden Zins- und Entschuldungshilfen gewährt.

2) Langfristige Kredite

Bei langfristigen Krediten handelt es sich um das unter der Verpflichtung zur Rückzahlung von Dritten aufgenommene Fremdkapital. Zumeist werden im kommunalen Haushaltsrecht Kredite auch in ihrem Verwendungszweck definiert. So sind sie ausschließlich für Investitionen, Investitionsförderungsmaßnahmen und zur Umschuldung erlaubt.
In der Bilanz werden die Kredite als Teil der Verbindlichkeiten auf der Passivseite ausgewiesen. Ihnen steht entsprechendes Anlagevermögen, wie Gebäude oder Grundstücke entgegen.

3) Kassenkredite

Der Kassenkredit ist ein Begriff aus der öffentlichen Haushaltswirtschaft und bezeichnet eine Schuldenart zur Deckung eines kurzfristigen Bedarfs an liquiden Mitteln. Das Pendant zum Kassenkredit ist bei privaten Haushalten und Unternehmen der Überziehungskredit, auch Dispo genannt.

4) Anteil an der Einkommenssteuer

Der Gemeindeanteil an der Einkommensteuer liegt bei 15 Prozent des Aufkommens der Lohn- und veranlagten Einkommensteuer und 12 Prozent des Aufkommens der Abgeltungsteuer. Neben den Gemeinden der Flächenländer erhalten auch die Gemeinden der Stadtstaaten einen Gemeindeanteil an der Einkommensteuer.

5) Kommunaler Finanzausgleich

Der kommunale Finanzausgleich ist ein Mechanismus zur Angleichung der Finanzkraft der Kommunen eines Bundeslandes. Durch die zugewiesenen Finanzmittel soll es den Kommunen insbesondere ermöglicht werden, ihre Aufgaben in finanzieller Eigenverantwortlichkeit wahrzunehmen. Wichtigste Rechtsquelle ist das kommunale Finanzausgleichsgesetz des jeweiligen Bundeslandes.

6) Nettokreditaufnahme

Der Begriff der Nettokreditaufnahme bezeichnet einen für ein Haushaltsjahr berechneten Saldo. Er errechnet sich über die Summe der zugeflossenen finanziellen Mittel aus der Aufnahme neuer Kredite abzüglich der gesamten Kredittilgungen.
Von einer positiven Nettokreditaufnahme wird gesprochen, sofern das Volumen der neu aufgenommenen Kredite das Volumen der Kredittilgungen übersteigt (Kreditverschuldung steigt). Wenn die Kreditaufnahme geringer ist als die Kredittilgungen, liegt eine negative Nettokreditaufnahme vor (Kreditverschuldung sinkt).

7) Zinsänderungsrisiko

Unter Zinsänderungsrisiko versteht man im Finanzwesen die Gefahr, dass der mit einem zinstragenden Finanzprodukt verbundene Zinssatz durch die künftige Marktentwicklung vom derzeitigen Marktzins abweicht.