Die Lausitz befindet sich seit der Wende in einem ständigen Strukturwandel und hat es seit dieser Zeit im Vergleich mit anderen Regionen Deutschlands verdammt schwer. Ganz aktuell beschäftigt die Lausitz der geplante Kohleausstieg. Der Verlust von Großbetrieben und damit einhergehend auch der Verlust von weiteren Arbeitsplätzen und Einwohnern war in den vergangenen 30 Jahren zu beklagen. Eine, die dabei nicht tatenlos zuschauen möchte, ist keine Geringere als Frau Prof. Dr. Gesine Schwan, die im Rahmen eines durch das Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und nukleare Sicherheit geförderten Projekts die Lausitz im Strukturwandel unterstützten möchte. Als Gesellschafterin der HUMBOLDT-VIADRINA Governance Platform mit Sitz in Berlin lud Schwan Multiplikatoren, Verantwortungsträger, engagierte Menschen und Interessierte aus der Lausitz zu einem 2. Workshop nach Weißwasser (Sachsen) ein. Die Agenda sah insgesamt fünf Impulsvorträge vor, die zum Diskutieren anregen und für Nachfragen dienen sollten.
Ein Impulsgeber war der Wanfrieder Bürgermeister Wilhelm Gebhard, der über den Strukturwandel der Stadt Wanfried nach dem Fall der innerdeutschen Grenze und dem Wegfall der Zonenrandförderung aus Sicht der alten Bundesländer berichten und dabei die erfolgreiche Arbeit der Stadt Wanfried in Zusammenarbeit mit der Bürgergruppe für den Erhalt Wanfrieder Häuser vorstellen sollte. Prof. Schwan las Anfang des Jahres einen Bericht über Wanfried in der Süddeutschen Zeitung, hob sich den Artikel auf und sah das Beispiel der Stadt Wanfried als guten Ansatz auch für die Lausitz. Gebhard bestärkte die Teilnehmer des Workshops in ihrem Engagement und ermutigte sie, dass der ländliche Raum trotz vieler anderer Aussagen aus seiner Sicht eine große Zukunftschance hat. „Teure Mieten und explodierende Immobilienpreise, die desolate Verkehrssituation, das Sicherheitsbedürfnis der Menschen und der Wunsch nach Entschleunigung spielen den ländlichen Regionen in Deutschland in die Hände“, so Gebhards Überzeugung. „Während die Ballungsräume eifrig überlegen, wie sie noch mehr Wohnraum schaffen können, würde auf dem Land dieser bereits existieren, nur leider häufig nicht genutzt“, sagte Gebhard. Hier seien der Bund und die Länder gefordert, den ländlichen Raum noch attraktiver zu gestalten, als er im Vergleich zu den großen Städten ohnehin schon sei. Das Beispiel Wanfried zeige, dass eine Vielzahl an Menschen bereits die Stadtflucht angetreten habe. Zuzüge anfänglich aus den dicht besiedelten Niederlanden und seit sechs Jahren auch verstärkt aus den deutschen Ballungsräumen wie bspw. aus Rhein-Main, Berlin, Nordrhein-Westfalen oder Freiburg kann die Stadt Wanfried verbuchen. Auch Rückkehrer, meist junge Familien, zieht es verstärkt zurück in die alte ländliche Heimat. Dabei kommen Wanfried die zentrale Lage im Herzen Deutschlands und moderne Arbeitsplatz- und Arbeitszeitmodelle zugute. Das mache Mut, den eingeschlagenen Weg der Vermarktung fortzusetzen. Und das mit Erfolg. Leerständen konnte neues Leben eingehaucht werden und die Bevölkerungszahl hat sich in der kleinen hessischen Landstadt entgegen früherer Prognosen stabilisiert.
„Dass Frau Schwan auf die haupt- und ehrenamtliche Arbeit in der Stadt Wanfried aufmerksam geworden ist und eine Einladung ausgesprochen hat, darf uns schon etwas stolz machen“, so Gebhard. Ihr Fazit nach Beendigung des Vortrags über den Wanfrieder Weg war positiv.
“Die Präsentation von Bürgermeister Gebhard über die großartige Entwicklung von Wanfried war eine spannende Bereicherung unseres Workshops zur Transformation der Lausitz mit breiter Beteiligung“, so Gesine Schwan.
Gesine Marianne Schwan (geborene Schneider; * 22. Mai 1943 in Berlin) ist eine deutsche Politikwissenschaftlerin und Mitglied der SPD. Von 1977 bis 1984 war sie Mitglied der Grundwertekommission der SPD. Nach einer Unterbrechung wurde sie 1996 wieder in die SPD-Grundwertekommission aufgenommen. Seit 2014 ist sie Vorsitzende des Gremiums. Von Oktober 1999 bis September 2008 war sie Präsidentin der 1991 gegründeten Europa-Universität Viadrina in Frankfurt (Oder). Von Juni 2010 bis Juni 2014 war sie Präsidentin der Humboldt-Viadrina School of Governance. Heute ist sie Präsidentin des Nachfolgeprojekts Humboldt-Viadrina Governance Platform. 2004 und 2009 kandidierte sie für das Amt der Bundespräsidentin, beide Male scheiterte sie im ersten Wahlgang gegen Horst Köhler.