Ein letztes Mal von Bürgermeister Wilhelm Gebhard
Liebe Mitbürgerinnen und Mitbürger, liebe Wanfriederinnen und Wanfrieder, liebe Freunde und Gäste unserer Stadt,
auch das Jahr 2024 neigt sich schon wieder dem Ende zu – eine gute Gelegenheit, auch auf dieses wechselvolle Jahr zurückzublicken und mich zudem langsam aber sicher aus dem Amt des Bürgermeisters zu verabschieden.
Wie Ihnen bekannt ist, darf ich für die CDU im Wahlkreis 168 „Werra-Meißner/Hersfeld-Rotenburg“ bei der im Februar 2025 stattfindenden Wahl zum Deutschen Bundestag als Direktbewerber kandidieren. Für mich persönlich ist das Ansporn und Verpflichtung zugleich. Um meine Kandidatur glaubwürdig und ehrlich zu betreiben, habe ich mich bereits vor meiner Nominierung dazu entschlossen, nicht für eine vierte Amtszeit als Bürgermeister zur Verfügung zu stehen, da sowohl die Bundestagswahl als auch die Bürgermeisterwahl in Wanfried im Jahr 2025 stattfinden. Zum Zeitpunkt meiner frühzeitigen Entscheidung ging ich jedoch bei der Bundestagswahl noch vom ursprünglichen Wahltermin am 28. September 2025 aus. Jetzt wird es voraussichtlich der Februartermin. Somit steht unabhängig vom Ausgang der Bundestagswahl bereits jetzt fest, dass meine Amtszeit im Jahr 2025 endet; entweder im März oder erst zum regulären Amtszeitende Anfang Oktober 2025.
Alles ist für mich somit das letzte Mal. Das letzte Mal Seniorennachmittag, das letzte Mal Jahreshauptversammlung bei den Feuerwehren, das letzte Mal die Einbringung des städtischen Haushalts, der letzte Weihnachtsgruß, das letzte Mal verantwortlich sein für dies oder das und das letzte Mal Wünsche und Grüße zum Jahresende.
Bereits im Alter von 10 Jahren verfasste ich in einem Poesiealbum einer Mitschülerin als Berufswunsch „Bürgermeister“. Dass das tatsächlich so gekommen ist, ist schon irgendwie lustig und grenzt an ein Wunder, da nur wenige ihren Berufswunsch aus Kindertagen umsetzen können. In meinem Fall musste man zudem auch erst noch gewählt werden. Nach dem Ausscheiden aus dem Amt werde ich gerne auf die gemeinsame Zeit mit Ihnen zurückblicken. Ich bin sehr dankbar, viele schöne und zugleich auch herausfordernde Momente erlebt und Lebenserfahrung gesammelt zu haben. Gemeinsam haben wir viel geschafft und Wanfried nach vorne gebracht. Wir haben in all den Jahren jeder noch so düsteren Zukunftsprognose getrotzt und uns von vermeintlichen Fachleuten von außen nie irre machen lassen. Wir haben Wanfried gemeinsam bewegt. Es war mir eine Ehre.
Gerne erinnere ich mich an einige Stationen meines fast 18-jährigen Wirkens.
Begonnen hat meine Amtszeit mit der gewonnenen Bürgermeister-Karaoke bei hr3, nur einen Monat nach meinem Amtsantritt im Oktober 2007. Das war nur möglich, weil in Wanfried und Umgebung die Telefondrähte heiß gelaufen sind und den Telefon-TED nach oben getrieben haben. Danke nochmals für Ihre großartige Unterstützung. Das war ein Auftakt nach Maß für das große Jubiläumsfest „400 Jahre Stadtrechte“ im Jahr 2008, das wir als Renaissancefest mit 20.000 Besuchern an zwei Tagen im Spätsommer begangen haben. Dieses einmalige Fest beflügelte die Gemeinschaft. Es ging ein wahrer Ruck durch Wanfried und wir alle haben verstanden, dass es an uns selbst liegt, die Zukunft unserer Stadt zu gestalten und wir nicht länger auf Hilfe von außen setzen sollten. Mit dem Jubiläumsjahr 2008 und den positiven Entwicklungen rund um den Wanfrieder Hafen gründete sich auch der „Förderverein Historischer Hafen e.V.“. Ein Jahr später folgte die Finanz- und Wirtschaftskrise in der EU. Das Handwerk musste und sollte staatlich gefördert und gestützt werden. In kurzer Zeit sollte die Stadt Wanfried 400.000 € Fördermittel von Bund und Land sinnvoll investieren, um das Handwerk zu unterstützen. Neue Heizungsanlagen in öffentlichen Einrichtungen, neue Fensterfronten, die neue Rutsche im Schwimmbad und einige weitere Projekte wurden mit diesem Geld umgesetzt. Gleichzeitig begannen wir unser eigenes Programm zur Vermarktung Wanfrieds. Wir bewältigten den Leerstand, in dem wir ihn offensiv thematisierten und anboten. Interessierten Neubürgern aus den Niederlanden und aus dem deutschen Ballungsraum wurde dank der neu gegründeten „Bürgergruppe für den Erhalt Wanfrieder Häuser“, in der ich von Beginn an Mitglied bin, Beratung und Hilfe zu nahezu allen Fragen angeboten. Über 70 Objekte, darunter zahlreiche Fachwerkimmobilien mit hohem Sanierungsstau, bekamen bis heute neues Leben eingehaucht. Presse, Funk und Fernsehen gaben sich die Klinke in die Hand und berichteten über dieses einmalige Zusammenspiel von bürgerschaftlichem Engagement und zukunftsorientiertem Verwaltungshandeln. Die Zeitung DIE WELT titelte „Eine kleine Stadt will nicht sterben“, die Süddeutsche Zeitung titelte mit „Das Wunder von Wanfried“ und die FAZ mit „Plötzlich kommen die Großstädter“. Das Handwerk profitierte mit mittlerweile über 5 Mio. € zusätzlichem Auftragsvolumen aus der Sanierung der vermittelten Objekte, die Einwohnerzahlen sanken nicht mehr. Auch das Fachwerkmusterhaus ist das Ergebnis aus diesem Tun & Handeln. Es wurde in 2012/2013 fertiggestellt und dient bis heute als Bauberatungszentrum und als Ort für soziales Miteinander. Im Jahr 2012 folgte der Schutzschirmvertrag mit dem Land Hessen, der uns allen viel abverlangt hat. Auch diese Herausforderung haben wir mit viel Transparenz zur Finanzlage der Stadt, zahlreichen Bürgerbeteiligungsformaten, mit Augenmaß und Durchhaltevermögen gemeistert. Unser Schuldenstand hat sich halbiert, Kassenkredite gibt es nicht mehr und wir können heute sogar auf eine Rücklage zugreifen, die uns aktuell hilft, die erneut schwierige Finanzlage besser zu bewältigen. Im Jahr 2013 durften wir gemeinsam auf das nächste große Jubiläum blicken. Altenburschla und Wanfried feierten die urkundliche Ersterwähnung vor 1200 Jahren. Beide Feste waren einmalig und werden uns ebenfalls noch lange in Erinnerung bleiben. 2014 feierten wir „50 Jahre Plesseturm“ und begingen eine Gedenk- und Festveranstaltung aus Anlass „25 Jahre Grenzöffnung“ mit den thüringischen Nachbarkommunen. Die Erinnerung an die deutsch-deutsche Teilung und die Verständigung und Freundschaft zu den Menschen in unserer Nachbarschaft in Thüringen waren und sind mir bis heute ein wichtiges Anliegen. Die innige Verbindung und Freundschaft waren auch ausschlaggebend dafür, dass die Städte Treffurt und Wanfried sowie die Gemeinden Weißenborn, Geismar und die Landgemeinde Südeichsfeld von den beiden Bundesländern Hessen und Thüringen den Zuschlag zur Ausrichtung der zentralen Gedenk- und Festveranstaltung „30 Jahre Grenzöffnung“ im November 2019 erhalten haben. Das haben wir am Bahnhof Großburschla gebührend gefeiert. Mit der Flüchtlingskrise im Jahr 2015 kamen im Februar 2016 auch die ersten Geflüchteten bei uns in Wanfried an. Viele Bürgerinnen und Bürger brachten sich aktiv ein und unterstützten nicht nur die geflüchteten Menschen, sondern entlasteten damit auch die Stadtverwaltung bei dieser Aufgabe. In diesem Zusammenhang sei an den kleinen afghanischen Jungen namens Aref erinnert, der im April 2016 spurlos verschwand und dessen Verbleib bis heute leider ungeklärt ist. Auch dieses tragische Ereignis wird prägend in unserer Erinnerung bleiben. Im März 2020 hatten wir gemeinsam die nächste Krise zu bewältigen. Eine Krise mit bis dahin unvorstellbarem Ausmaß. Auch die Krise namens „Corona“ hat uns allen viel abverlangt. Sie hat uns Freiheit genommen und einige Existenzen zerstört bzw. bis an den Rand des Abgrundes gedrängt. Gut, dass diese Zeit vorbei ist und wir mit der nächsten Pandemie hoffentlich anders umgehen werden und aus den gesammelten Erfahrungen gelernt haben.
Diese Zeilen haben keinen Anspruch auf Vollständigkeit. Ich könnte jetzt noch die Hochwasserereignisse in den Jahren 2011, 2013 und 2023 aufzählen oder auf das Starkregenereignis in Wanfried im Juni 2019, die Gründung des Fördervereins Plesseturm im Jahr 2018, das beschlossene Attraktivitätsprogramm zur Stärkung der Feuerwehren, auf die Ausweisung neuer Gewerbe- und Bauflächen für Eigenheime, auf den Glasfaserausbau oder auf unzählige Investitionen in die städtische Infrastruktur, u.a. in unsere Feuerwehren, hinweisen. Ich möchte es aber für heute dabei belassen. Wichtig bei alledem ist die Tatsache, dass das Erreichte niemals ein Werk eines Bürgermeisters oder einer Bürgermeisterin, sondern das Ergebnis vieler Beteiligter ist, die an einem Strang ziehen. Der Bürgermeister kann Ideen- & Impulsgeber und Moderator des Prozesses sein. An dieser Stelle möchte ich deshalb ausdrücklich die Gremien der Stadt und in besonderer Weise die Beschäftigten in der Stadtverwaltung und im Bauhof erwähnen, ohne die das alles nie möglich gewesen wäre.
Mir war und ist es in all den Jahren immer sehr wichtig gewesen, nah bei den Menschen zu sein, die vielfältigen Veranstaltungen in den fünf Stadtteilen gleichermaßen zu besuchen und mittendrin statt nur dabei zu sein. Ein Amt bedeutet für mich Verpflichtung. Das Amt des Bürgermeisters war für mich kein Beruf, sondern bedeutet für mich bis heute Berufung. Ich hoffe sehr, dass man das gespürt hat. Die Wochenarbeitszeit betrug immer zwischen 50 und 60 Stunden, nicht selten auch deutlich darüber. Ich bedanke mich an dieser Stelle auch für entgegengebrachtes Vertrauen und Verständnis; bspw. beim Thema Sauberkeit und Ordnung. Die Straßenreinigung wird mir auch in Zukunft ein Herzensanliegen bleiben, weil sie ein Ausdruck dafür ist, wie wir zu unserer Stadt bzw. zu unserem Dorf stehen und wie wir uns nach außen präsentieren.
Jeder Einzelne von Ihnen hat mich auf meinem Weg als Bürgermeister, den ich im zarten Alter von 31 Jahren angetreten habe, begleitet; mal positiv, mal kritisch, mal zugewandt und manchmal auch abgewandt. Jede Reaktion und jede Form der Zusammenarbeit hat mir bei der Ausübung des nicht immer einfachen Amtes geholfen. Ich sage auf diesem Weg schon jetzt aufrichtig DANKE für alles!
Zum Ende des Jahres 2024 bedanke ich mich einmal mehr bei den städtischen Gremien, bei den Ortsvorstehern und den Mitgliedern der Ortsbeiräte, bei den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der Stadtverwaltung, des Bauhofs und der Wasserver- und der Abwasserentsorgung sowie bei allen Mitmenschen, die sich uneigennützig und ehrenamtlich in den Dienst der Gemeinschaft stellen.
In Presse, Funk und Fernsehen sowie in den sozialen Netzwerken werden wir täglich über die Kriege und Krisen in der Welt informiert, die einerseits gefühlt immer mehr werden und andererseits auch irgendwie immer näher an uns heranrücken. Die Jahresrückblicke, die in diesen Tagen im Fernsehen gezeigt werden, veranschaulichen eindrucksvoll, dass das Jahr 2024 kein gutes war und viele grausame Bilder von Terror, Krieg, Gewalt und Katastrophen bereithält. Dazu die schwächelnde Wirtschaft in Deutschland, die mittlerweile berechtigten Grund zur Sorge bietet. All diese Nachrichten verunsichern uns und belasten zunehmend den gesellschaftlichen Zusammenhalt – auch hier bei uns vor Ort ist das deutlich spürbar – die Stadtverwaltung als unterste Ebene unseres demokratischen Staatsaufbaus kann ein Lied davon singen.
Ich werbe dafür, dass wir uns davon nicht anstecken lassen, sondern enger zusammenrücken, auf einander zugehen, Probleme und Sorgen ansprechen und Zuversicht und Optimismus eine Chance geben. Die Zeit zwischen den Jahren und zum Jahresanfang eignet sich dafür hervorragend. Nutzen Sie den Jahreswechsel, um zur Ruhe zu kommen und sich auf das Wesentliche im Leben zu besinnen. Hoffen wir zum Ende eines schwierigen Jahres, dass das kommende Jahr 2025 friedlicher und ruhiger wird und unsere Erwartungen in Erfüllung gehen. Ich wünsche Ihnen und Ihren Familien für 2025 von Herzen Gesundheit, Glück und Zufriedenheit.
Ich freue mich auf neue Herausforderungen im Jahr 2025 und wünsche meinem Nachfolger oder meiner Nachfolgerin schon jetzt ein glückliches Händchen bei der Ausübung dieses tollen Amtes.
Mit herzlichen Grüßen
Ihr
Wilhelm Gebhard